Wien, 17.1.2023

Sehr geehrte Frau Kulturstaatssekretärin Mag. Mayer!

Ergeht auch an:
Sehr geehrter Herr Mag. Teichmann!
Sehr geehrter Herr Mag. Struber!
Sehr geehrter Frau Doktor Fränzen!
Sehr geehrte Frau Mag. Dollhofer!
Sehr geehrter Herr Köck!
Sehr geehrte Frau Plamenig!
Sehr geehrte Frau Mag. Maimer!
Sehr geehrte Frau Mag. Meißnitzer!
Sehr geehrter Herr Mag. Christian Stiller!
Sehr geehrter Herr Saiko!
Sehr geehrte Frau Urban!
Sehr geehrter Herr Posch!
Sehr geehrte Frau Mag. Nazzal!
Sehr geehrte Frau Kohler!
 
Hiermit möchten wir Ihnen unsere Forderungen übermitteln, die wir aufgrund des neuen Anreizmodells FISA+ erstellt haben und die teilweise bereits Eingang in die Richtlinien von FISA+ gefunden haben, sich aber natürlich auch an alle anderen öffentlichen Filmförderinstitutionen richten.
Die Sektion Film, Foto, AV Medien der younion_Die Daseinsgewerkschaft(younionfilm) begrüßt ausdrücklich das neue Anreizmodell.
Den österreichischen Filmstandort zu stärken und damit seine Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, ist natürlich auch im Interesse der Filmschaffenden.
Alle öffentlichen Filmförderinstitutionen hatten diesbezüglich schon bisher eine große Bedeutung und gleichzeitig aufgrund des zu vergebenden Steuergeldes eine große Verantwortung.

Aus langjähriger Erfahrung wissen wir leider, dass dieses Geld nicht immer im Sinne der Förderinstitutionen eingesetzt wird, etwa wenn vulnerable Gruppen am Set nicht ausreichend geschützt werden oder grundlegende Arbeitsrechte verletzt werden.

Aus gegebenem Anlass ist uns Punkt 1 unserer Forderungen (siehe unten)der „Kinderschutz“, ein besonderes Anliegen. Die Vorkommnisse, die in denletzten Tagen und Monaten an die Öffentlichkeit gelangt sind, haben uns vor Augen geführt, dass die derzeitigen Instrumente unzureichend sind, die für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für einen Schutz von Kindern und Jugendlichen auf Filmsets vorgeschrieben sind, und daher ein dringender Handlungsbedarf besteht.
Wir bitten Sie daher, unserer Forderung nach einem verpflichtenden Kinderschutzkonzept als ersten Schritt umgehend nachzukommen. Gerne stehen wir für eine konkrete Ausarbeitung eines Schemas des Kinderschutzkonzepts und der Überprüfung desselbigen zurVerfügung.
In weiterer Folge streben wir die Erarbeitung neuer Standards für die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen bei Dreharbeiten in Zusammenarbeit mit allen Entscheidungsträger*innen, sowie brancheninternen und -externen Expert*innen an.
Wir freuen uns aber über einen zukünftigen Austausch zu allen folgenden Punkten und verbleiben
 
Mit freundschaftlichen Grüßen
f.d.Sektion Film, Foto, AV Medien
 
Roman Haschberger und Mag. Thomas Dürrer
Vorsitzender Sekretär
 
Dani Purer e.h.Expertin im Vorstand Sektion Film, Foto, AV Medien
younion _ Die Daseinsgewerkschaft, Maria-Theresien-Straße 11, 1090 Wien
 
 

KONKRETE FORDERUNGEN:

1. KINDERSCHUTZ
Forderung: strikte Kontrolle der Einhaltung aller Kinderschutzmaßnahmen, sowie ein verpflichtendes Kinderschutzkonzept je nach Art und Ausmaß der Kinderbeschäftigung, unabhängig ob Kinder in Österreich oder im Ausland beschäftigt werden.
Begründung: Kinderschutz darf nicht an der österreichischen Grenze aufhören. Auch wenn es in allen europäischen und vielen anderen Ländern Schutzregelungen bzgl.Kinderbeschäftigung gibt, ist in Anbetracht der teilweise laschen Kontrollen in Österreich nicht davon auszugehen, dass diese auch überall rigoros kontrolliert werden.
Und daher kann es auch nicht im Sinne der Fördergeberinstitutionen sein, dass mit Steuergeld Filme produziert werden, die im In- oderAusland beschäftigte Kinder und Jugendliche nicht vor unzumutbaren Arbeitsbedingungen oder Ausbeutung schützen.
Weiters haben die Förderinstitutionen im Rahmen der laufenden Überprüfung der widmungsgemäßen Mittelverwendung auch die Einhaltung der Förderungsvoraussetzungen zu kontrollieren. (Informationenzu den derzeitigen Voraussetzungen für die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen siehe Anhang)
Lösungsvorschlag: Nicht nur Erziehungsberechtigte, sondern auch die Betreuungsperson am Set (zB. Großeltern oder von der Produktion gestellt) müssen verpflichtend über die gesetzlichen Bestimmungen, sowie über „#we_do“ und „vera“, aufgeklärt werden.
Weiters ein verpflichtendes Kinderschutzkonzept und laufende Überprüfung desselben in Form eines täglichen Berichts inkl. Zeitaufzeichnung und bestätigt von der Betreuungsperson am Set.
Zusätzliche Maßnahmen im Sinne des „Kindeswohl“ sind wünschenswert.
 
2. KONTROLLE EINHALTUNG ARBEITSZEITEN, KV, ETC
Forderung: strikte Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeiten und der im Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen.Bei mehrfach wiederholter Nichteinhaltung und/oder schwerwiegender Missachtung werden Konsequenzen für den/die Fördernehmer:in gefordert.
Begründung: Es obliegt der Fördergeberin die widmungsgemäße Verwendung der Fördermittel zu kontrollieren und gegebenenfalls auch Konsequenzen zu ziehen bis hin zum Widerruf der Förderung.
Lösungsvorschlag: „Teamsprecher*innen“ als Bindeglied zwischen Fördergeber:innen und Filmset, laufende und persönliche Kontrollen, zumindest aber unangekündigte Stichproben am Set.
 
3. TRANSPARENZ, VERANTWORTUNG, FÜRSORGE
Forderung: Die Fördernehmer:innen erkennen ihre Fürsorgepflicht als Arbeitgeber:innen gegenüber ihren Arbeitnehmer:innen an und verpflichten sich zu Transparenz und der stetigen Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz.
Ersteres bezieht sich u.a. auf die Übermittlung von für den/dieArbeitnehmer:in relevanten Informationen wie zB. Drehpläne,deren Änderungen (insbesondere wenn die Änderungen Nacht oder Wochenendarbeit betreffen), zeitgerechte Übermittlungder Arbeitsverträge, etc. Letzteres betrifft internationalen Standards entsprechende Sicherheits-Vorgaben für Film-Sets.
Begründung: Fürsorgepflicht der Arbeitgeber*innen und„Arbeit auf Augenhöhe“. Sicherheitsbeurteilungen/Gefahrenbeurteilungen/Risk-Assessments sind international in der Filmbranche nicht nur üblich, sondern lt. EU-Gesetz auch von dem/der Arbeitgeber*in verpflichtend auszustellen. Derzeit können wir für Service- oder internationale Koproduktionen diesen Vorgaben nicht entsprechen!
Lösungsvorschlag: Verpflichtende Sicherheitsbeauftragte (ab bestimmter Set-Größe), die das tägliche Risiko einschätzen,eine Gefahrenbeurteilung erstellen und an jedeTagesdisposition anhängen, sodass jede(r) Abeitnehmer*in über mögliche Gefahren unterrichtet ist. Arbeitssicherheits-Schulungen, allgemein und für spezifische Departments, nach EU-Vorgaben/Zertifikat sind derzeit in Planung bzw. ab Februar2023 über die younionfilm verfügbar. (siehe unseren Basis Kurs „Sicherheit am Filmset! Jetzt Anmelden!!)
 
 

4. DIVERSITÄT, INKLUSION

Forderung: Verpflichtung zu aktivem Handeln und Vorbildfunktion für ein diverses und inklusives Arbeitsumfeld,sowie die Abbildung einer diversen Gesellschaft im geförderten und hergestellten Werk.
Begründung: Der/die Fördernehmer*in trägt durch die Verwendung öffentlicher Gelder auch eine gesellschaftliche Verantwortung.
 
 

5. PLANBARKEIT, VEREINBARKEIT

Forderung: Selbstverpflichtung der Fördernehmer*innen zumöglichen Hilfestellungen für eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungspflichten und unter bestimmten Voraussetzungen Anrechenbarkeit derselben als Herstellungskosten aufgrund der langen Arbeitszeiten und schwierigen Arbeitszeitlagen (beginnend bei der Planbarkeit und endend bei zusätzlichen Betreuungsangeboten. In Absprache mit anderen Förderinstitutionen, Maßnahmen-Katalog in Arbeit).
Begründung: die Arbeitsbedingungen in der Filmbranche machen eine zufriedenstellende Vereinbarung von Beruf und Privatleben (insbesondere wenn Betreuungspflichten vorhanden sind) nur sehr schwer möglich. Dies betrifft Frauen deutlich stärker. Um tatsächlich die Frauenquote zu erhöhen,bedarf es daher begleitender Maßnahmen zum Gender GapFinancing.
Lösungsvorschlag:„Vereinbarkeits-Maßnahmen“ der Fördernehmer*innen anerkannt als Herstellungskosten.Bzgl. Planbarkeit: Drehplanfixierung 2 Wochen vor Drehbeginn, Änderungen 5 Werktage vorher, Projektfixierung 8 Wochen vor Drehbeginn.
 
 

6. NACHWUCHSFÖRDERUNG, AUSBILDUNGSPLÄTZE,BERUFLICHE ENTWICKLUNG

Forderung: Ausbildungsplätze ab einer bestimmten Budgethöhe bei heimischen Produktionen, bzw. auch bei Serviceproduktionen auf den österreichischen Anteil berechnet.
Begründung: Das Nachwuchsproblem bei einigen Stabstellen ist evident! Die Branche ist in manchen Departments nicht gerüstet für das beabsichtigte größere Produktionsaufkommen durch FISA+.

 

 
Anhang Kinder- und Jugend-Beschäftigung Film:
KINDERARBEIT, AUFTRITTSGENEHMIGUNG VON KINDERN

Kinder sind Minderjährige bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres oder bis zur späteren Beendigung der Schulpflicht. Kinderarbeit ist grundsätzlich verboten.

§ 2 und § 5 KJBG In bestimmten Einzelfällen ist die Beschäftigung von Kindern möglich:Bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen und sonstigen Aufführungen sowie bei Foto-, Film-, Fernseh- und Tonaufnahmen ist die Beschäftigung nur bei erteilter Bewilligung durch die Landeshauptfrau oder den Landeshauptmann – bzw. unter bestimmtenVoraussetzungen durch die Bezirksverwaltungsbehörde – zulässig.Aufführungen dieser Art, die von der Schule oder einer Schulbehörde veranstaltet werden, benötigen keine Bewilligung. (siehe unten)

§ 6 und § 7 KJBG Kinder, die das 13. Lebensjahr vollendet haben, dürfen in reinen Familienbetrieben vereinzelte, leichte Arbeiten verrichten.§ 5a Abs. 1 KJBG Nach Vollendung der Schulpflicht dürfen sie mit einer Lehre beginnen oder unter anderen bestimmten Voraussetzungen in Betrieben beschäftigt werden.
 

§ 2 Abs. 1a KJBG Die Überwachung der Einhaltung des Verbotes der Kinderarbeit obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden im Zusammenwirken mit den Arbeitsinspektoraten, den Gemeindebehörden und den Schulleitungen. Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte sowie Organe der Jugendfürsorge haben bei Kenntnis von Kinderarbeit die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zu informieren.

§ 9 KJBGAuftrittsgenehmigung: Die Beschäftigung von Kindern bis zur Vollendung des 15.Lebensjahres bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen, bei sonstigen Aufführungen und bei Foto-, Film-, Fernseh- und Tonaufnahmen bedarf einer Bewilligung. Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn ein besonderes Interesse der Kunst, der Wissenschaft oder des Unterrichts vorliegt oder es sich um Werbeaufnahmen handelt und die Gesundheit, die körperliche und geistige Entwicklung und die Sittlichkeit nicht gefährdet werden und keine Nachteile für den Schulbesuch eintreten.

Die Beschäftigung von Kindern in Varietés, Kabaretts, Bars, Sexshops,Tanzlokalen, Diskotheken und ähnlichen Betrieben darf nicht bewilligt werden.

Weitere Voraussetzungen:

  • Die schriftliche Zustimmung der gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter der Kinder
  • Eine Untersuchung durch eine Amtsärztin oder einen Amtsarzt oder durch eine Allgemeinmedizinerin oder einen Allgemeinmediziner oder durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde bei erwerbsmäßigenVeranstaltungen;
  • bei Film- und Fernsehaufnahmen oder vergleichbaren Aufnahmen ein Gutachten einer Fachärztin oder eines Facharztes für Augenheilkunde
Eventuelle weitere Unterlagen müssen bei der Bewilligungsbehörde erfragt werden. Der Antrag muss zeitgerecht gestellt werden, damit vor allem die ärztliche Untersuchung rechtzeitig durchgeführt werden kann –darüber sollten die Eltern schon vor Antragstellung informiert werden.
 
Die Beschäftigung von Kindern bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen und sonstigen Aufführungen, die von der Schule oder einer Schulbehörde veranstaltet werden, benötigt keine Bewilligung. In diesen Fällen ist die schriftliche Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin oder des gesetzlichen Vertreters des Kindes erforderlich.
Zuständige Stellen: Der Antrag ist an das jeweilige Amt der Landesregierung zu richten. Bei erwerbsmäßigen Aufführungen ist das zuständige Arbeitsinspektorat als Partei im Verfahren zu informieren. (Quelle: Arbeitsinspektorat Österreich)

Veröffentlicht am: 22. Januar 2023